Helmut Brandstätter, scheidender Kurier-Herausgeber, hat heute in einem renommierten Wiener Café sein Buch “Kurz & Kickl - Ihr Spiel mit Macht und Angst" (K&S) präsentiert. Dabei verschob er die Bekanntgabe der Entscheidung, ob er für die Neos kandidieren wird, auf (frühestens) morgen. Angeblich unabhängig davon hat er jedenfalls seinen Abschied vom Kurier eingereicht.
Seinem Buch indes bekommt der viele Wind, der vorab darum gemacht wurde, bestens - Verlagschef Martin Scheriau freut sich, bereits eine zweite Auflage in Auftrag geben zu können. Grob vereinfacht zeigen sich in dieser präzisen Bestandsaufnahme der Kurz(sch)en türkis-blauen Regierung zwei Schwerpunkte: Der Message-Control-Wahn eines dauerintervenierenden Kanzlers und seiner Handlanger sowie der systematische Versuch der FPÖ und insbesondere ihres Masterminds Herbert Kickl, die demokratischen Institutionen auszuhöhlen. „Man könnte jetzt den Kalauer von der geschredderten Demokratie verwenden“, sagte Brandstätter bei der Präsentation, bei der er sich selbstverständlich auch den Fragen von (früheren) Berufskollegen stellte. „Aber genau das ist es nicht, was im Moment passiert. Eher das, was die Washington Post als Slogan hat: Democracy dies in darkness. Darkness setzt, wie wir wissen, ja nicht in Minuten und Sekunden ein, sondern das dauert eine Weile.“
Ursprünglich hätte das Buch „Der Weg ins autoritäre Österreich“ heißen sollen. Und er hätte auch gepasst, denn Brandstätter sieht im Sturm auf das BVT und im Gedankengut, das die FPÖ-Granden im Ibiza-Video offenbaren, einen Versuch, Österreich in einen Staat nach Orbans Vorbild umzuwandeln. Warum dann also lieber „Macht und Angst“? „Politische Systeme, die keine Lösungen haben, müssen dem Menschen Angst machen“ erklärt Brandstätter.
Pünktlich zur Veröffentlichung seines Druckwerks gab der ehemalige hochrangige ORF-Politik-Journalist, Geschäftsführer des deutschen Nachrichtensenders n-tv und Gründer des österreichischen Privat-TV-Senders Puls TV (Vorläufer des heutigen Puls 4), der 2010 die Nachfolge Christoph Kotankos als Kurier-CR antrat, der Süddeutschen Zeitung ein lesenswertes Interview. Darin sagt Brandstätter über den geschassten blauen Innenminister: „Kickl wollte den Polizei- und Sicherheitsapparat grundsätzlich verändern. Ausrichten wollte er die Behörden auf Loyalitäten ihm und der FPÖ gegenüber und nicht mehr dem Staat gegenüber. Auch frühere Innenminister von ÖVP und SPÖ haben sicherlich ihr Amt für parteipolitische Zwecke eingesetzt. Parteibuchwirtschaft spielt in unserem Land seit jeher leider eine viel zu große Rolle. Die FPÖ hat dieses System nicht nur kopiert, sondern noch zusätzlich autoritäre Strukturen aufgebaut und sie wollte sie auf Dauer auslegen. Kickl wollte sie in den nächsten Jahren implementieren, was nicht geklappt hat. Doch wenn er und die FPÖ das geschafft hätten, würden viele Menschen, darunter ich, nicht mehr in Österreich leben wollen.“
Und auf die Frage, warum er immer wieder von „Inseratenkorruption“ in Österreich spreche: „Während in unserem Land die staatliche Parteienförderung ständig erhöht wird - auch Kurz hat das getan -, werden die vom digitalen Wandel ohnehin betroffenen Medien ausgehungert. Ausnahme sind die Zeitungen und Zeitschriften, die lieb schreiben. Die bekommen viele Millionen in Form von Anzeigen. Die Regierenden, nicht nur ÖVP und FPÖ, sondern auch die SPÖ, versuchen also, Medien durch öffentliche Gelder - sagen wir es freundlich - positiv zu stimmen. Darum verwende ich - weniger freundlich, aber treffend - das Wort ,Inseratenkorruption’.“