Vielmehr wandert das Ganze verstärkt ins Internet. Die sozialen Medien, dort muss man dabei sein. Wer es nicht ist, der existiert nicht. Doch dort geht es darum, schöne Bilder oder blöde Sprüche abzusondern. Das bringt Quote. Aber keine Diskussionskultur.
Die haben wir privaten Unternehmen überlassen, deren Algorithmen bestimmen, was wir überhaupt zu sehen bekommen. Die uns die Instrumente in die Hand geben, zu bestimmen, wer mit uns diskutieren darf und wen wir aus dem Diskurs ausschließen. Diskussionen finden dadurch nur noch in einer Blase statt, in der sich einzelne Meinungen aufmunitionieren. Wenn die dann aufeinander treffen, kracht’s. Argumente werden kaum mehr aufgefahren. Viel lieber wirft man sich Phrasen, Schimpfwörter und Wahrheiten an den Kopf.
Wenn jemand zu sehr übers Ziel hinausschießt, dann wird er halt gesperrt. So wie Donald Trump. Und all jene, die angeblich so für Demokratie und Diskurs eintreten, jubeln dazu. Es ist schon klar: Die Statements von Donald Trump sind oft schwer zu ertragen. Aber: Er ist, oder besser war, Präsident der USA. Das heißt: Hinter ihm stehen viele, die auch angefressen sind auf das Establishment. Donald Trump ist nicht Verursacher der gesellschaftlichen Spaltung, er ist ein Ergebnis dessen. Mit dem Aussperren von Trump aus den sozialen Netzwerken ersparen wir uns gleich die Auseinandersetzung mit einem wesentlichen Teil der Bevölkerung. Der auch in Europa wächst. Dass die, ob dem Gefühl, keine Stimme zu haben, immer radikaler werden, ist logisch. Was werfen wir ihnen entgegen? Dass sie die Demokratie gefährden.
Und bemerken in dem Bemühen, unsere Blase und deren Umfeld sauber zu halten, nicht, dass der gesellschaftliche Diskurs speziell in der Corona-Krise zerstört wird. „Corona-Leugner“ und „Corona-Jünger“ werfen sich jeweils „Lügner“ entgegen und stellen sich mittlerweile taub gegen jegliche Argumentation. Diese Diskussionsverweigerung zieht sich leider durch alle Medien durch. Besonders deutlich wird dies nun bei der Impfung. Wer dieser mit einigen unguten Gefühlen begegnet, wird sofort als Leugner, Impfskeptiker oder Rechtsextremer identifiziert. In die andere Richtung geht‘s mit dem Vorwurf, die Unversehrtheit der anderen zu verletzten. Die Argumente, die man sich gegenseitig auf den Kopf wirft, stehen nicht mehr wirklich auf soliden Beinen. Egal, ob in den sozialen Medien oder im ORF.
Inzwischen werden die Grundrechte Stück für Stück beseitigt. Denn die, die als „vierte Macht“ darüber wachen sollten, sind anderweitig beschäftigt. Da können mittlerweile Demonstrationen einfach verboten werden. Wie meinte einst Norbert Hofer? „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“ Inzwischen wundert er sich wahrscheinlich selbst. Und lächelt in sich hinein. Immerhin wird er mit großer Wahrscheinlichkeit in der nächsten Regierung sitzen.
Sehnsucht nach dem Stammtisch
Der Stammtisch – ein Schlachtfeld. Gedopt mit alkoholischen Getränken werden hitzige Diskussionen geschlagen. Und des öfteren zieht es weitere Kreise. Die Nachbarn vom Nebentisch, der Wirt, die Besucher aus der Nachbarstadt – auch sie geben gerne ihre Stellungnahme ab. Manchmal wird es dann auch wirklich handgreiflich. Und der Abend wird mit dem einen oder anderen blauen Auge beendet.
Aber: Man hat diskutiert. Auf Augenhöhe. Man hat Erfahrungen ausgetauscht und mitgenommen. Und trotz des schlechten Rufes, der den Stammtisch begleitet hat – heute ist die Sehnsucht danach groß. Denn ob mit oder ohne Fäuste – die Diskussionskultur liegt darnieder. Es fehlen die Plätze, es fehlt die Atmosphäre, es fehlt die Freiheit, die eine solche Diskussion benötigt.