Jeder weiß, was er am 11. September 2001 knapp vor 4 Uhr Nachmittag gemacht hat und dass bei uns bei weitem nicht so schönes Wetter war wie in New York. Bei den meisten hat um diese Zeit das Telefon geklingelt: „Dreh einmal den Fernseher auf…“.
Und genauso hat fast jeder eine Erinnerung, was er am 17. Mai 2019 um 18 Uhr rum - übrigens bei auch recht schönem, sonnigen Frühlingswetter - getan hat. Der Schreiber dieser Zeilen pflügte sich da passenderweise gerade durch Twitter. Und da kamen denn auch die ersten Postings mit dem Video und Kommentaren, die alle irgendwie betäubt und schockstarr anmuteten: „Wenn das echt ist …“
Wenn das echt ist. Das Ganze verströmte den Eindruck von Unwirklichkeit. Verstärkt wurde der nicht zuletzt durch den Outfit des Hauptdarstellers: Das abartig tief ausgeschnittene T-Shirt sah aus, als seien damit gerade Fenster geputzt worden und betonte unvorteilhaft das Bäucherl, das dem einstigen Modell-Politiker H.C. Strache gewachsen war. Dazu rundherum Flaschen, Gläser, Rauchschwaden, und die Gunman-Mimikry seines Adlatus Johann Gudenus. Wenn man schon die Republik verscherbeln wollte, hätte man wenigstens ein würdigeres Ambiente herstellen sollen, haben dann manche geätzt.
Der Strache des Videos vom Sommers 2017 war noch nicht Vizekanzler der Republik. Ende des selben Jahres war er es aber. Als Regierungsmitglied ist Strache nie auch nur ansatzweise dazugekommen, seine im Video dokumentierten Hirngespinste zu verwirklichen: Die Machtergreifung über die Krone, die Privatisierung des Wassers, die Verteilung großer Bauaufträge an Oligarchen, das Eintreiben großer Spenden. Teile dieses „Programms“ (Spenden) hat vielmehr die Kurz-ÖVP realisiert. Der FPÖ-Klientel war das Ganze im Grunde eh herzlich Wurscht. Die stieß sich erst an Tascherln und Mätzchen bei den Spesen.
Heute-Chefredakteur Christian Nusser stellt in einer dem Ibiza-Jahrestag geschuldeten sonntäglichen Sonder-Edition seines Blogs „Kopfnüsse“ die Was-wäre-gewesen-wenn-Frage: Was wäre gewesen, hätte es Ibiza (das Video) nicht gegeben? Insbesondere jetzt, in der Coronakrise? Türkis-Blau hätte, meint er, ziemlich das Selbe beschlossen wie Türkis-Grün. Nur die Akzeptanz der Maßnahmen wäre (wegen der, sagen wir, etwas autoritätsgäubigen Konnotation der FPÖ) eine ziemlich andere, viel geringere gewesen. Dem medial nunmehr aber wieder voll präsenten HC Strache traut er zu, bei der Wien-Wahl seine alte Partei zu überholen.
Das hat etwas für sich. Viel sogar. Wurscht ob Strache die FPÖ rechts oder links überholt.
Was macht uns so sicher?
Schau in die Krone.
Zum Jahrestag des Ibiza-Debakels hat sie Heinz-Christian und Philippa Strache auf ihrem Sonntags-Cover. Im Innenteil gibt´s vier Seiten Interview. Waffenstillstand. Strache hat die Krone zumindest nicht mehr gegen sich, so viel ist sicher.
Ohne oder nur mit alibihaftem Hinterfragen lässt die Interviewerin Edda Graf den nunmehrigen Parteichef des Teams HC Strache seine Passionsgeschichte erzählen (und Philippa die gütige Mitleidende geben). Beschuldigungen - alle erstunken und erlogen. Der Verkauf der Krone? Teufelswerk des Lockvogels! Und so weiter.
Um immerhin noch etwas wirklich wichtiges zu erzählen: Das graue Leiberl gibt´s noch. HC Strache erwägt, es zu signieren und für einen wohltätigen Zweck versteigern.