Welche Koinzidenz der Ereignisse! Vor etwa 10 Tagen hatte der Presseclub Concordia „Die Zukunft der Medien“ als Titel einer Podiumsdiskussion mit den Mediensprechern der österreichischen Parlamentsparteien angekündigt, vor zwei Tagen präsentierte die Regierung Kurz ihre Vorstellung davon: In Form einer Ausschreibung eines Rahmenvertrags für Medialeistungen von bis zu 180 Millionen und Kreativleistungen von bis zu 30 Mio € Höhe. „Damit ist diese Regierung der größte Werbekunde Österreichs und hat einen Hebel, die Medienlandschaft dermaßen nachhaltig einzukassieren, dass einem nur schwindlig wird“, beklagte Henrike Brandstötter von den Neos, die sich ebenso wie Thomas Drozda (SPÖ) und Eva Blimlinger (Grüne) unter der Leitung der stellvertretenden APA-Chefredakteurin und Concordia-Vizepräsidentin Katharina Schell im virtuellen Chatroom eingefunden hatte - sehr im Unterschied von Christian Hafenecker (FPÖ) und Gerald Fleischmann (ÖVP). „Die, die heute nicht da sind, sind nicht zufällig nicht da, sondern die sagen, die sollen diskutieren, was sie wollen - wir machen die Medienpolitik im Kanzleramt, und die machen wir über Inserate und nicht anders. So war´s die letzten Jahre - zugegebenermaßen auch mit unserer Mitwirkung - und dahingehend haben sie das System, das nicht einmal mehr vor den gröbsten Interventionen zurückschreckt, perfektioniert“, wetterte - mit einem leisen Hauch Selbstkritik - Drozda. Ohne sich direkt auf solche drastische Schelte zu beziehen, stieß Andy Kaltenbrunner, umtriebiger Chef des Medienhaus Wien, ins selbe Horn: „Medienpolitik in Österreich ist mächtig wie seit Jahrzehnten nicht mehr“. Dafür gebe es mehrere Gründe: Etwa „die elende Presseförderung, die immer elender wird“, und in Welchselwirkung damit einen Rückstau: „Ob dieser Rückstau dann mit Inseraten, die nach intransparenten Kriterien vergeben werden, behoben wird, ist eine spannende Frage“. Dazu hätten die bekannten Digitalisierungsprozesse in Österreich zwar später als anderswo, dafür aber umso heftiger eingesetzt. „Die verunglückte Corona-Schnellhilfe der Republik macht nicht sehr optimistisch, wie eine allfällige Digitalförderung aussehen würde.“
An diesem Punkt war Blimlinger gefragt, die zwar kein Regierungsmitglied ist, aber immerhin deren Digitalisierungsintiviative mitverhandelt. Auf Schells Einwand, dass diese Verhandlungen nun schon recht lange dauerten, antwortete Blimlinger: „Es dauert deswegen so lange, weil sich die beiden Regierungsparteien nicht einig sind, wie gefördert werden soll. Wir diskutieren seit einem halben Jahr und nähern uns an. Unser Anliegen ist es, Qualitätskriterien hineinzukriegen. Eines haben wir schon drinnen.“ Welches genau, mochte sie nicht sagen. „Ich kann nur sagen, dass es das erste Mal überhaupt in einer Medienförderung Qualitätskriterien gibt. Und dass es eine Unterscheidung geben wird zwischen einer Basisförderung und einer Projektförderung. Auf der anderen Seite werden bestimmt Medien - ich nenne als Beispiel unzensuriert.at -, die den bisherigen Kriterien der Presseförderung gemäß unterstützt worden sind, keine Förderung mehr bekommen.“
Kein gloriose Zukunft für Österreichs Medien sieht Brandstötter: „Wir haben hier einfach die vornehmere Version von Orban, der sehr aggressiv gegen Medien aufgetreten ist. Kurz kauft sie einfach. Das muss man sich bitte einmal genau anschauen: 30 Millionen € + 180 Millionen € für die nächsten 4 Jahre sind zusammen 210 Millionen €. Dividiert durch 4 dividiert durch 52 sind das nach Adam Riese 1 Million € pro Woche für Kreativleistungen und Inserate! Das ist unfassbar viel, da muss man sich richtig Mühe geben, dieses Geld auf einem so kleinen Werbe- und Medienmarkt auszugeben.“ Obendrein erfolgten solche Auschreibungen mit maximaler Intransparenz unter dem Kommando VP-naher Agenturen. Gerechter und nachvollziehbarer wäre eine verzehnfachte Presseförderung mit klaren Vergabekriterien:
Mitgliedschaft im Presserat, Existenz eines Redaktionsstatuts, Bezahlung der Journalisten nach KV, Quellennachweise, Recherchebeschreibungen, ev. Vorhandensein einer Wissenschaftsredaktion.
Andreas Koller, der Präsident des Presseclubs Concordia und stellvertretende Chefredakteur der Salzburger Nachrichten, hielt den Ball in der Debatte meist eher flach: „Alles, was derzeit passiert, hat ja nicht die gegenwärtige Regierung erfunden“, erläuterte er etwa. „Es war schon Faymann Weltmeister in schräger Inseratenvergabe und auch was die Stadt Wien in dieser Hinsicht aufführt, geht, salopp gesagt, auf keine Kuhhaut.“
Klare Worte, die Koller auch nicht scheute, als er unterstellte, das die gegenwärtige Medienkrise manchen Zeitgenossen an den Schalthebeln der Macht nicht so unrecht sei: „Investigativer Journalismus ist die teuerste Form des Journalismus, aber auch die unangenehmste für Machthaber aller Art.“
Eva Blimlinger rechtfertigte schließlich noch, warum grüne Kräfte nicht mehr Reform ins Medienwesen gebracht haben: „Wir sind jetzt noch nicht einmal ganz ein Jahr in der Regierung. Wir können nicht in einem Jahr wettmachen, was ÖVP, SPÖ und natürlich auch die FPÖ über Jahre hinweg verschissen haben.“